Arbeitgeber hat keinen Zugang zu Betriebsratsdateien

Arbeitgeber haben nicht das Recht, auf Dateien des Betriebsrates zuzugreifen (Az.: 4 TaBV 11/12), dieser kann vom Arbeitgeber aber auch nicht die Einsicht in dessen Protokolle fordern (Az.: 4 TaBV 87/11), so in beiden Fällen das Landesarbeitsgericht Düsseldorf.

Eine Arbeitgeberin wollte auf dem in ihrem Eigentum stehenden Betriebsratsserver ein Dokument aufrufen und diesem entnehmen, wer zu welcher Zeit an diesem gearbeitet hat. Damit wollte sie feststellen, ob ein Betriebsratsmitglied eine achtseitige Stellungnahme während seiner Arbeitszeit verfasst hat ohne für sie freigestellt gewesen zu sein. Er wurde also des Arbeitszeitbetruges verdächtigt. Der Betriebsrat seinerseits wollte von der Arbeitgeberin die Aufzeichnungen über die Zugriffe auf den Betriebsratsserver zur Verfügung gestellt bekommen.

Beiden Begehren gab das LAG nicht statt. Unabhängig davon, wem der Server gehört, würde die Betriebsverfassung die Interessen des Betriebsrates schützen und sowohl digitale als auch schriftliche Unterlagen seiner eigenen Verantwortung überlassen. Der Betriebsrat sei bei seinem Wunsch aber nicht rechtsschutzwürdig. Er müsse das von ihm vermutete Informationsleck selbst innerhalb seines Wirkungsbereiches schließen.

Arbeitgeber muss keine Bewirtungskosten bei Betriebsversammlung übernehmen

Das Landesarbeitsgericht Nürnberg hat entschieden, dass der Arbeitgeber nicht die Verpflegungskosten einer Betriebsversammlung zu tragen hat (Az.: 4 TaBV 58/11).

Bei einer Betriebsversammlung in der Verkaufsfiliale eines Textilherstellers versorgte der Betriebsrat die Teilnehmer mit belegten Brötchen und Getränken, damit diese dem siebenstündigen Vortrag folgen konnten. Den Kostenaufwand verlangte der Betriebsrat anschließend vom Arbeitgeber zurück, der sich jedoch zu zahlen weigerte.
Zu recht, wie das LAG nun feststellte. Zwar ist es gemäß § 40 BetrVG richtig, dass der Arbeitgeber die Kosten des Betriebsrates zu tragen hat.

§ 40 BetrVG Kosten und Sachaufwand des Betriebsrats
(1) Die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten trägt der Arbeitgeber.
(2) Für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung hat der Arbeitgeber in erforderlichem Umfang Räume, sachliche Mittel, Informations- und Kommunikationstechnik sowie Büropersonal zur Verfügung zu stellen.
Und der Betriebsrat sei auch für eine angemessene Durchführung der Versammlung zuständig. Jedoch müsste dieser nur das dafür tatsächlich notwendige aufwenden. Die Versorgung der Mitarbeiter sei bei einer 7-stündigen Sitzung zwar notwendig, könnte aber kostenneutral dadurch gewährleistet werden, dass Pausen eingelegt werden und sich die Arbeitnehmer in dieser Zeit selbst versorgen können. Das gehöre zu ihrer persönlichen Lebensführung und müsse nicht vom Betriebsrat, also auch nicht vom Arbeitgeber finanziert werden.

Verschweigen von Vorstrafen bei Einstellung rechtfertigt fristlose Kündigung

Hat ein Arbeitnehmer bei seiner Einstellung über seine Vorstrafen und laufende Ermittlungsverfahren getäuscht, insbesondere, wenn er eine schriftliche Erklärung dazu abgegeben hat, kann er laut Landesarbeitsgericht Hessen fristlos entlassen werden (Az.: 7 Sa 524/11).

Ein Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe sollte zum 1. November 2009 leitender Chefarzt in der entsprechenden Abteilung einer Klinik werden. Bei Vertragsschluss unterzeichnete er eine Erklärung mit folgendem Wortlaut:
“Ich erkläre, dass ich über die vorstehenden Angaben hinaus nicht gerichtlich bestraft oder disziplinarisch belangt worden bin. Außerdem erkläre ich, dass gegen mich kein (weiteres) Strafverfahren, Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft oder Disziplinarverfahren anhängig ist.

Ich verpflichte mich, von jedem gegen mich eingeleiteten Straf- oder Ermittlungsverfahren und jeder gerichtlichen Verurteilung Mitteilung zu machen.”

Bereits 2002 aber, während seiner Tätigkeit an einer anderen Klinik, wurde gegen den Arzt wegen fahrlässiger Tötung eines Neugeborenen Anzeige erhoben und später eine Klage, bei der er verurteilt wurde. Außerdem musste er Schmerzensgeld im Zivilprozess entrichten.

Als die Arbeitgeberin die Umstände im August 2010 aus der Presse erfuhr, wurde der Chefarzt vom Dienst suspendiert und wenig später fristlos entlassen. Diese Kündigung stützt sich auf § 626 I BGB:

§ 626 Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
(1) Das Dienstverhältnis kann von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. …
Das LAG bestätigte die Kündigung. Die ausdrückliche Täuschung und Lüge bei dem Unterzeichnen der Erklärung verletzen das Vertrauensverhältnis der Beteiligten im erheblichen Maße. Außerdem ist der Chefarzt als Repräsentant der Klinik maßgeblich für ihren Ruf und ihr Ansehen verantwortlich, welche durch derartige Tatsachen mit großer Wahrscheinlichkeit geschädigt werden könnten. Diese Aspekte stellten einen wichtigen Grund im Sinne des § 626 I BGB dar und rechtfertigen die sofortige Kündigung.

OLG Hamm: Aufkleber “Keine Werbung” gilt nicht für Anzeigenblätter

Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm vom 14.07.2011 (Az. 4 U 42/11) soll es keine unzumutbare Belästigung von Verbrauchern darstellen, wenn Gratiszeitungen (Super Sonntag, Wochenspiegel, Bitterfelder Spatz oder ähnliche) einschließlich der dort lose eingelegten Werbebeilagen in einen Briefkasten eingeworfen werden, auch wenn dort ein Aufkleber “Keine Werbung” angebracht ist.

Das Gericht sah darin keinen Wettbewerbsverstoß i.S.d. § 7 Abs. 2 Nr. 1 UWG. Nach Ansicht des Gerichts unterscheide der Briefkasteninhaber zwischen reinen Werbeprospekten und Gratiszeitungen mit Werbebeilagen. Denn bei den Gratiszeitungen komme es ihm gerade auch auf den redaktionellen Teil mit seinen lokalen Informationen an. Deshalb seien diese Anzeigenblätter von dem Aufkleber “Keine Werbung” nicht erfasst.

Wer also auch keine Anzeigenblätter in seinem Briefkasten vorfinden möchte, sollte dies auf dem Aufkleber entsprechend deutlich machen. Beispielsweise mit “Bitte keine Werbung oder kostenlose Zeitungen einwerfen”.

OLG Stuttgart: Zu geringe Rückkaufwerte bei Allianz Lebensversicherungen

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in seinem Urteil vom 18.08.2011, (Az. 2 U 138/10) AGB Bestimmungen der Allianz Lebensversicherungs-AG für unwirksam erklärt, die die Berechnung der Rückkaufwerte und Fragen der Beitragsfreistellung, sowie den Stornoabzug in Lebens- und Rentenversicherungsverträgen betreffen. Die Allianz hatte diese Klauseln Mitte 2001 bis Ende 2007 verwendet.

Da die entsprechenden Klauseln unwirksam sind, steht den Kunden als Rückkaufwert das sog. ungezillmerte Deckungskapital zu. Dies sind in etwa die eingezahlten Prämien (abzüglich eventueller Risikokosten für Zusatzversicherungen, wie Berufsunfähigkeit).

Ehemalige Kunden er Allianz können nun Nachforderungen wegen zu geringer Rückkaufwerte und zu Unrecht einbehaltener Stornokosten geltend machen. Beitragsfrei gestellte Policen müssen neu berechnet werden, da sich die beitragsfreie Versicherungssumme erhöhen muss.

Auch wenn die Allianz Rechtsmittel angekündigt hat, sollten Ansprüche umgehend geltend gemacht werden. Die Verbraucherzentralen stellen für die Geltendmachung entsprechende Musterbriefe zur Verfügung.

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OLG Naumburg weicht Trennungsprinzip von Werbung und redaktionellem Inhalt auf

In seiner erst jetzt veröffentlichten Entscheidung (NJOZ 2011, 1202) vom 23. 4. 2010 hat das OLG Naumburg (Az. 10 U 31/09) das presserechtliche Trennungsprinzip zwischen redaktionellen Texten und Werbung im Ergebnis deutlich aufgeweicht.

Nach Ansicht des Gerichts sei an Anzeigenblätter nicht die gleichen Erwartungen zu stellen, wie etwa an eine reguläre Tageszeitung. Denn der Leser eines Anzeigenblatts wisse oder müsse doch zumindest davon ausgehen, dass diese Publikation tatsächlich und aus wirtschaftlicher Sicht in erster Linie Werbezwecken diene.

Zwar gelte das grundsätzliche Verbot der redaktionellen Werbung zwar grundsätzlich für alle Arten von Zweitschriften und sonstigen veröffentlichten Beiträgen. Bei Anzeigenblättern sei aber in besonderer Weise stets nachzufragen, ob und inwieweit sich die Irreführungsgefahr, der das Verbot redaktioneller Werbung entgegenwirken soll, tatsächlich verwirkliche.

Hintergrund des Streits war eine wettbewerbsrechtliche Streitigkeit, weil die Beklagte ein Akquiseschreiben an einen potentielle Anzeigenkunden versendet hatte, in dem ein “gekoppelter” redaktioneller Beitrag über eine Veranstaltung neben einer Werbeanzeige angeboten wurde.

Nach wenig überzeugender Ansicht des Gerichts sei eine bloße “Verbindung” von redaktionellem Beitrag und Werbeanzeige nicht per se wettbewerbswidrig. Das sei erst dann der Fall, wenn sich die “redaktionellen Berichterstattung hervorgehoben und gezielt mit dem Angebot eines Interessenten in daneben platzierten Anzeigen als zusätzliche kostenlose Nebenleistung” befasse.

Inkassokosten regelmäßig nicht zu erstatten

Das Amtsgericht Kehl hat in einem Urteil vom 26.04.2011 (Az. 4 C 19/11) die Erstattung von Kosten für die Inanspruchnahme eines Inkassobüros generell abgelehnt.

Der Gläubiger mahnte den Schuldner einmal erfolglos. Erst nach einer Mahnung durch ein Inkassobüro zahlte der Schuldner die fällige Hauptforderung i.H.v. rund 6.600 EUR, jedoch ohne die geforderten Inkassokosten und Verzugszinsen. Der Gläubiger versuchte nun, die Verzugszinsen i.H.v. rund 60 EUR, sowie Inkassokosten i.H.v. rund 600 EUR (entsprechend einer 1,5 Geschäftsgebühr zzgl. 20 EUR Auslagenpauschale, sowie 23,50 EUR für die Einholung einer Bonitätsprüfung)

Das Amtsgericht gab dem Kläger lediglich in Höhe der Verzugszinsen, sowie der Bonitätsprüfung statt. Der Anspruch ergebe sich direkt aus §§ 280, 286 Abs. 3 BGB. Die Bonitätsprüfung sei eine “zweckentsprechende Maßnahme der Rechtsverfolgung “.

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Handysperre erst ab 75 EUR Zahlungsrückstand zulässig

Mobilfunkanbieter dürfen einen Anschluss erst dann sperren, wenn Ihr Kunde mit einem Betrag von mindestens 75 EUR in Verzug ist. Anders lautende Allgemeine Geschäftsbedingungen sind unwirksam, weil sie den Kunden unangemessen benachteiligen. Dies hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 17.2.2011 entschieden (Az. III ZR 35/10).

Hintergrund ist die ausdrückliche gleich lautende Regelung in § 45k Abs. 2 Telekommunikationsgesetz für Festnetzanschlüsse, die nach Ansicht des BGH entsprechend auch für Mobilfunkanschlüsse anwendbar ist:

Wegen Zahlungsverzugs darf der Anbieter eine Sperre durchführen, wenn der Teilnehmer nach Abzug etwaiger Anzahlungen mit Zahlungsverpflichtungen von mindestens 75 Euro in Verzug ist und der Anbieter die Sperre mindestens zwei Wochen zuvor schriftlich angedroht und dabei auf die Möglichkeit des Teilnehmers, Rechtsschutz vor den Gerichten zu suchen, hingewiesen hat. Bei der Berechnung der Höhe des Betrags nach Satz 1 bleiben diejenigen nicht titulierten Forderungen außer Betracht, die der Teilnehmer form- und fristgerecht und schlüssig begründet beanstandet hat. Dies gilt nicht, wenn der Anbieter den Teilnehmer zuvor zur vorläufigen Zahlung eines Durchschnittsbetrags nach § 45j aufgefordert und der Teilnehmer diesen nicht binnen zwei Wochen gezahlt hat.

Lybischer Agent verurteilt

Der 1. Strafsenat des Kammergerichts Berlin hat den libyschen Staatsangehörigen Omar K. (46 J.) wegen geheimdienstlicher Agententätigkeit u.a. in Halle (Saale) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten zur Bewährung verurteilt (Urteil v. 08.02.2011, Az. (1) 3 StE 7/10-2 (9/10)).

Nach den Feststellungen des Senats hat der Angeklagte in der Zeit von Mai 2010 bis zu seiner Festnahme am 21. September 2010 als inoffizieller Mitarbeiter des libyschen Geheimdienstes Informationen über im deutschen Exil tätige libysche Oppositionelle gesammelt und teilweise gegen Bezahlung an einen deswegen bereits am 25. Januar 2011 zu einer Freiheitsstrafe verurteilten hauptamtlichen Mitarbeiter des libyschen Geheimdienstes weitergegeben.

Magdeburger Alkoholverbotsverordnung unwirksam

Das Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt hat mit Urteil vom 17.03.2010 (Az. 3 K 319/09) die Alkoholverbotsverordnung der Stadt Magdeburg für unwirksam erklärt.

Gegenstand des Normenkontrollverfahrens war die “Gefahrenabwehrverordnung betreffend die Abwehr von Gefahren durch Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit” vom 12.12.2008. Nach der Verordnung war im gesamten Stadtgebiet von Magdeburg “das Lagern oder dauerhafte Verweilen in Verbindung mit Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit verboten, wenn dessen Auswirkungen geeignet sind, Dritte erheblich zu beeinträchtigen.” Auch die Regelung, nach der auf dem östlichen Bahnhofsvorplatz (Willy-Brandt-Platz) ganztägig und auf dem Hasselbachplatz von 18:00 – 6.00 Uhr der Konsum von Alkohol in der Öffentlichkeit generell verboten ist, wurde für unwirksam erklärt. Die Verbote konnten mit Bußgeldern von bis zu 5000 Euro geahndet werden.

Die Bestimmungen hat das Gericht als zu unbestimmt angesehen. Wegen der unscharfen Formulierungen sei für den Bürger nicht ausreichend erkennbar, welches Verhalten verboten ist. Außerdem habe die Stadt nicht belegen können, dass die Begehung von (schweren) Straftaten eine typische Folge des Alkoholkonsums außerhalb von Gaststättenflächen sei. Auch das Argument, man wolle zerbrochene Glasflaschen vermeiden, lies das Gericht nicht gelten. Das Verbot sei für diesen Zweck unverhältnismäßig. Es gäbe weniger belastende Maßnahmen, wie beispielsweise ein Glasflaschenverbot nach Hamburger Vorbild.