Commercial Courts in Deutschland. Wie die ostdeutschen Länder den Anschluss verpassen

Mit dem Inkrafttreten des Justizstandort Stärkungsgesetzes im Frühjahr 2025 hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, spezialisierte Commercial Courts an Oberlandesgerichten einzurichten. Diese sollen komplexe Wirtschaftsstreitigkeiten effizienter lösen und Deutschland im internationalen Wettbewerb der Streitbeilegungsstandorte stärken. § 119 b GVG gibt den Ländern erstmals die Befugnis, erstinstanzliche Senate an Oberlandesgerichten für große Wirtschaftssachen zu schaffen und damit einen wesentlichen strukturellen Schritt in Richtung Professionalisierung gerichtlicher Wirtschaftsverfahren zu gehen.

Bislang haben neun Bundesländer diese Chance ergriffen. Dazu gehören Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Sachsen und Nordrhein-Westfalen. Die Commercial Courts dieser Länder haben ihre Arbeit aufgenommen und setzen neue Maßstäbe in der wirtschaftsrechtlichen Spruchpraxis.

Auffällig ist jedoch, was nicht geschehen ist. Keines der ostdeutschen Bundesländer mit Ausnahme von Sachsen hat einen Commercial Court eingerichtet. Besonders bemerkenswert ist, dass Sachsen-Anhalt trotz wirtschaftlicher Entwicklung und zentraler Lage vollständig auf die Errichtung eines Commercial Courts verzichtet hat.

Das Justizstandort Stärkungsgesetz verfolgt die klare Absicht, staatliche Gerichte im Bereich komplexer internationaler Wirtschaftsverfahren zu stärken und Schiedsgerichten wieder ernsthaft Konkurrenz zu machen. Unternehmen sollen künftig eine spezialiserte staatliche Alternative erhalten, die international anschlussfähig ist. Kernpunkte der Reform sind die Möglichkeit der englischen Verfahrenssprache, die fakultative Einreichung direkt beim Oberlandesgericht als Eingangsinstanz und ein beschleunigtes, eng strukturiertes Verfahren.

Diese besondere Kompetenzverlagerung ist ein Paradigmenwechsel. Die staatliche Justiz soll sich nicht mehr allein auf ihre hoheitliche Rolle zurückziehen, sondern im Wettbewerb mit internationalen Streitbeilegungsforen aktiv bestehen.

Der Commercial Court entscheidet in Dreierbesetzung. Verfahren können vollständig auf Englisch geführt werden. Die Parteien können eine Tatsacheninstanz überspringen und unmittelbar vor einem spezialisierten OLG Senat klagen. Zudem besteht immer eine zulassungsfreie Revision zum Bundesgerichtshof. Dieses Gesamtpaket bietet eine Qualität und Effizienz, die mit internationalen Standards vergleichbar ist.

Dass außer Sachsen kein ostdeutsches Bundesland die Einrichtung eines Commercial Courts vorgenommen hat, ist ein schlechtes politisches Signal. Es zeigt, dass der Aufbau eines modernen und international anschlussfähigen Streitbeilegungsstandortes nicht als prioritäre Aufgabe erkannt wurde. Sachsen-Anhalt hätte mit geringer gesetzgeberischer Initiative ein starkes Zeichen setzen können. Der Verzicht bedeutet jedoch, dass Unternehmen in Ostdeutschland weiterhin keine spezialisierte gerichtliche Infrastruktur für komplexe wirtschaftsrechtliche Verfahren erhalten.

Für die Attraktivität eines Wirtschaftsstandortes spielt die Qualität der Rechtspflege eine zentrale Rolle. Die Einrichtung eines Commercial Courts kann Investoren die Sicherheit geben, auch in komplexen Situationen effizienten gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen zu können. Wer diese Option nicht bietet, nimmt sich selbst aus dem Wettbewerb. Die Folge kann sein, dass große wirtschaftsrechtliche Streitigkeiten in andere Bundesländer verlagert werden und dass Unternehmen langfristig ihre Standortentscheidungen anders treffen.

Die ostdeutschen Länder haben diese Chance fast vollständig ungenutzt gelassen. Nur Sachsen hat gehandelt. Sachsen Anhalt und alle übrigen ostdeutschen Länder stehen ohne Commercial Court da und verlieren damit einen potenziellen Wettbewerbsvorteil als moderner Justizstandort.

Wer komplexe Wirtschaftsverfahren in Deutschland zukunftsfähig führen will, wird die leistungsfähigen Commercial Courts in den westdeutschen Bundesländern nutzen. Solange kein flächendeckendes Engagement im Osten erfolgt, wird sich dieser Trend weiter verstärken.

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